Social Freezing: 33-Jährige berichtet, warum sie in Kassel ihre Eizellen einfrieren lässt
Von: Maike Lorenz
Erschienen am 17.12.2024 in der HNA ↗
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Amelie Kellermann sorgt sich darum, dass ihr Kinderwunsch zu spät kommt. Wie immer mehr Frauen in Deutschland nutzt sie deshalb Social Freezing.
Kassel – Vor etwa einem Jahr machte sich Amelie Kellermann mehrmals von Berlin auf den Weg nach Kassel. Antrieb, den Weg auf sich zu nehmen, war eine Sorge, die offenbar immer mehr Frauen in Deutschland umtreibt: Die Sorge davor, dass der eigene Kinderwunsch zu spät kommt. So spät, dass eine Schwangerschaft biologisch dann nicht mehr möglich ist.
Im Kinderwunschzentrum in Kassel, das ihr empfohlen worden ist, ließ Amelie Kellermann vorsorglich unbefruchtete Eizellen von sich einfrieren. Gegenüber unserer Zeitung berichtet sie, warum sie sich für das sogenannte Social Freezing entschied. Um die 33-Jährige zu anonymisieren, veränderte die Redaktion in dieser Berichterstattung ihren Namen.
Social Freezing nimmt zu
Immer häufiger lassen Frauen in Deutschland vorsorglich unbefruchtete Eizellen von sich einfrieren. Nach Angaben des Deutschen IVF Registers haben sich 2022 fast doppelt so viele Frauen einer Social Freezing-Behandlung unterzogen wie 2019. Die Zahl der Patientinnen stieg von 910 im Jahr 2019 an auf 1688 im Jahr 2022.
Familienplanung wurde nach Trennung relevant
„In meinen Zwanzigern war das Thema Familienplanung noch ganz weit weg“, sagt Amelie Kellermann. „Als ich 31 Jahre alt geworden bin, war ich allerdings nach einer längeren Beziehung Single und ab dem Zeitpunkt fühlte sich das Thema plötzlich sehr real an.“ Durch die Trennung von ihrem Partner sei absehbar gewesen, dass Amelie Kellermann in allernächster Zeit keine Familie gründen würde. Ihr wurde klar: Wenn sie nichts unternimmt, wird ihr die Entscheidung, ob sie in ihrem Leben Kinder bekommen möchte oder nicht, womöglich von der Zeit abgenommen. Sie sagt: „Ab Anfang 30 und insbesondere ab 35 Jahren nimmt bei Frauen die Qualität der Eizellen rapide ab.“
Amelie Kellermann tauschte sich über das Thema viel mit Freundinnen aus. „Manche Freundinnen haben auch mit 37 Jahren auf natürlichem Weg noch ein Kind bekommen. Ich habe aber auch Freundinnen mit einem unerfüllten Kinderwunsch.“ Teilweise habe den Bekannten zum Beispiel durch künstliche Befruchtung der Kinderwunsch noch erfüllt werden können, teilweise sei aber auch das nicht möglich gewesen. Amelie Kellermann sagt: „Ich habe gesehen, wie viel Lebensenergie ein unerfüllter Kinderwunsch kostet.“ Die Berlinerin entschloss sich deshalb zum Social Freezing.
Hohe Kosten für Social Freezing
Zweimal ließ sie sich in Kassel Eizellen entnehmen. Dazu ist zunächst eine Hormonbehandlung und anschließend ein Eingriff mit kurzer Narkose notwendig. Nach Angaben des Kinderwunschzentrums können je Eingriff Kosten von bis zu 3500 Euro entstehen. Hinzu kommen Kosten für Medikamente in Höhe von 1600 Euro. Anschließend werden die Eizellen für etwa 90 Euro im Monat gelagert. Insofern eine Befruchtung stattfinden soll, kostet dies laut Kinderwunschzentrum zusätzlich 2500 Euro.
„Das war natürlich ein hoher Betrag, der auf mich zukam“, sagt Amelie Kellermann. Die Behandlung sei es ihr allerdings wert gewesen. Da die Chance auf eine Schwangerschaft lediglich vom Alter der Eizelle abhängt, hätte Amelie Kellermann nun zum Beispiel auch im Alter von 40 Jahren die gleiche Chance auf eine Schwangerschaft wie zu dem Zeitpunkt, als ihr die Eizellen entnommen wurden. Die Projektmanagerin betont aber auch: „Social Freezing erhöht die Chancen auf eine Schwangerschaft, aber es ist keine Garantie dafür, ein Kind bekommen zu können.“
Amelie Kellermann sagt, ohne das Social Freezing würde sie einen höheren Druck verspüren, eine Entscheidung zur Familienplanung zu treffen und gegebenenfalls einen Partner zu finden. Ein Vorteil sei auch, dass ihr nun mehr Zeit bleibe, sich beruflich und persönlich zu entwickeln. „Es ist jetzt für mich noch zu früh, um Mutter zu werden.“
Amelie Kellermann hat deshalb keinen Zweifel, dass die Behandlung für sie der richtige Schritt war. Social Freezing gebe ihr ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Sie sagt: „Ich bin dankbar, dass ich das gemacht habe.“
Der Begriff
Laut Professor Miguel Hinrichsen von der Kinderwunschklinik ist der Begriff „Social Freezing“ eine Erfindung des deutschsprachigen Raumes. „Social Freezing“ meint das Einfrieren von Eizellen aus nicht-medizinischen, zum Beispiel beruflichen Gründen. Teils werden Eizellen auch aus gesundheitlichen Gründen eingefroren. Das kann nach Angaben von Professor Miguel Hinrichsen zum Beispiel vor einer Chemotherapie erfolgen.